Welcome back...


in India! Nach 10 Tagen Strand freue ich mich wieder auf indisches Frühstück, städtisches Chaos und bunte Tempel. Doch bevor es weiter in die südindische Tempelstadt Madurai geht steht natürlich eine längere Zugreise im Sleeperabteil auf dem Plan.


Unser Quartier teilen wir uns diesmal mit einer 4-köpfigen offensichtlich wohlhabenderen Familie mit der wir schnell ins Gespräch kommen. Der ältere der beiden Söhne stellt seine Familie zugleich als "bramins" - Brahmanen vor, damit wir auch sofort wissen dass wir es mit den Superstars der indischen Kastengesellschaft zu tun haben. Inder sind sehr statusbewusst und  haben ein grosses Bedürfnis diesen nach aussen hin zu zeigen, weshalb sie auch nicht verstehen können wie reiche Ausländer wie wir es sind mit schlabbrig-bequemen Travellerklamotten rumlaufen können. 

Das Kastensystem wurde von der Regierung bereits abgeschafft aber eine 2000 Jahre alte Gesellschaftsordnung lässt sich wohl schwer per Gesetz ausschalten. Wir werden mit neugierigen Frage gelöchert die dazu dienen uns in ein indisch geprägtes Wertesystem einzuordnen. "Whats your profession?", "How much money do you have for your trip?", "Do you get the money from your fathers?". Als wir die letzte Frage verneinen und sagen dass wir lange dafür gearbeitet haben, ernten wir nur verblüfftes Kopfschütteln. Danach bekommen wir eine kostenlose verwirrende Einführung in die Götterlandschaft des Hinduismus. Gefühlte 100 Götternamen werden aufgezählt und deren Abbilder auf Smartphones umhergezeigt. Mir schwirrt der Kopf von heroischen Göttergeschichten. Wir haben natürlich vergleichsweise wenig zu bieten. Atheismus ist in Indien undenkbar und so sind wir für unsere Reisebekanntschaften wieder Christen. Auf die Frage hin wieviele Götter wir anbeten sagen wir deshalb "only one".  "Ahh yes - Jesus is your God!" und ich weis sofort warum er das denkt. Während im Hinduismus jede Gottheit quitschbunt auf Papier gebannt wird, beschränkt sich das Christentum auf die Darstellung des Gekreuzigten. Ob unbefleckte Empfängnis oder Wiedergeburt aus einem Kuhohr - es ist mir egal und deshalb verschwende ich auch keine Energie ihn zu berichtigen. 

Bis wir uns auf unsere Pritschen verkrümmeln und versuchen zu schlafen unterhalten sich noch 6 glänzende Augenpaare inkl. Henni über Cricket und dessen Spielregeln. MÄNNER! 

Ich bewundere die Inder für ihr Essen und ihre Fähigkeit überall, in jeder Position, bei jeder Lautstärke schlafen zu können. Ob wir nun den Polizist aus seinem Sabberschlaf am Bahnhof wecken oder den schnarchenden Mitreisenden in unserem Abteil lauschen. Während um uns alles schläft, rauschen wir im Superfast Train mit 60 kmh nach Madurai.


"Wow"! Wir stehen vor der riesigen Tempelanlage und gucken nach oben. Vier 50m Türme ragen in den Himmel. Über 33000 kleine & grosse Götterfiguren zieren den Sri Meenakashi Tempel. Alles ist so kitschig bunt dass man sich beherschen muss nicht irgendwo etwas abzubeissen.




Eine alte fast zahnlose Frau verkauft uns glücksbringende Tantramantrabänder. Als sie es um meinen Arm wickelt sagt sie "This is good skin" und deutet auf meinen Unterarm, "This is not - This is black" sagt sie dann und deutet auf ihren eigenen. Ich kann sie nicht davon überzeugen dass ihre Hautfarbe genau so gut ist wie meine. Dunkle Haut ist in Indien immer noch ein Indiz für eine niedrige Kastenzugehörigkeit und es wird sogar für Bleichcremes geworben die diesen angeblichen Makel beheben sollen. Je heller die Haut desto bessere Chancen hat man und vorallem "frau" auf dem Heiratsmarkt. Da ich nicht unbedingt heiraten will kann ich also weiterhin in der Sonne brutzeln ;-).



Eine Fahrradrikscha bringt uns zum Gandhimuseum. Der arme Tropf muss uns durch die halbe Stadt treten ist aber überaus glücklich uns an Bord zu haben (good money!). Ab und zu steigen wir aus und helfen das Gefährt über die nächste Steigung zu schieben. Die Entschleunigung bietet uns eindrückliche Einsichten in das Strassenleben von Madurai und deren Stadtbewohner.








Zurück im Hotel und mit vielen Gandhiinfos im Kopf will ich ein bisschen schreien. Mein Bikini, frisch aus der Wäscherei ist mehr zerfetzter Putzlappen als Bikini. Stinkesauer fordere ich mein Geld zurück und bekomme gesagt dass das nicht geht. Der Wäscher der den Fehler gemacht hat steht anschliessend vor unserer Tür und sagt er müsste das aus eigener Tasche bezahlen was sein Monatsgehalt bei weitem übersteigen würde. Wir einigen uns auf 100 symbolische Rupee die mir im Nachhinein ein ziemlich schlechtes Gewissen machen. Wie unnötig auf etwas zu bestehen was einem selbst nicht weh tut, für den anderen aber essenziell ist. 100 Rupien sind etwa 1,50 Euro. Für 6 Euro hatte ich mir zuvor noch eine Hose nachschneidern lassen (meine einzige lange Reisehose zerfällt zusehens) ohne mir Gedanken zu machen. Ich hinterlege die 100 Rupien an der Rezeption und hoffe, dass sie dahin kommen wo sie hingehören. 


Wir sind schon so schlepper-immun das wir auf Personen die uns auf der Strasse ansprechen nicht mehr reagieren. Weil uns eigentlich jeder etwas verkaufen will und sowieso jeder mindestens 2 Cousins in Germany hat um mit uns ins Gespräch zu kommen, sagen wir immer dass wir aus Island sind. Die wenigsten wissen wo "Iceland" ist und lassen uns in Ruhe bevor sie sich blamieren. (Danke Pablo für diesen grandiosen Tipp!) Als hinter mir mal wieder jemand "Excuse me! Excuse me!" schreit ohne das Wort Master oder Sir zu benutzen, weiss ich das ich gemeint bin. Halb genervt drehe ich mich um und frage was er möchte. Er strahlt mich an, sagt "This is my wife, madame!" zieht eine schüchterne Frau zu sich her und grinst wie ein Honigkuchenpferd "take picture!". Die zwei sind so süss das ich ein Foto machen muss. Die beiden strahlen und sind so unglaublich happy das ich selbst grinse - wie ein Honigkuchenpferd! 


Madurai ist so südindisch entspannt und macht mit seinen gelassenen Menschen richtig Spass. Schade dass es heisst: Goodbye Madurai und morgen schon Salut Pondicherry! Die ehemalige französische Hafenstadt ist das nächste Ziel. Wir sind gespannt, nicht nur auf die Croissants :-)