Take-away India

Unsere letzten Tage in Indien. Und das ausgerechnet in Kolkata? Dem Armenhaus Indiens, der dreckigsten Stadt der Welt?


In unserem überteuerten kleinen Zimmer blättert die Farbe von den Wänden und die Schaben tanzen im Bad zu "La Cucaracha". Alles wie immer, nur dass draussen ein einmaliges Stadtleben tobt. Mein erstes Kolkata Bild ist folgendes: Ein Geschäftsmann sitz auf einer von einem dürren Mann gezogenen Rikscha. Mindestens 20 lebendige Hühner sind kopfüber an der selben Rikscha festgebunden. Der Geschäftsmann telefoniert und lacht - der Rikschamann zieht und schwitzt, die Hühner recken die Köpfe. Mir klappt die Kinnlade runter. Ich gucke Henni an, Henni guckt mich an. Willkommen in Kolkata!

Der Apple-Store ist gleich um die Ecke - die dreckige Gasse in der viele Familien unter Plastikplanen wohnen auch. Den Gehweg teilen sich Garküchen, Motorradwerkstätten, Schreiber mit Schreibmaschinen, Schuhputzer, Strassenhunde, weissbärtige Sadhus, Bettler die mit ihren Metallbechern klappern und Geschäftsmänner die sich Smartphones ans Ohr quetschen. Der Maidan, einer der grössten Stadtparks der Welt, drängt sich mitten durch die Stadt. Grasende Pferde auf der einen, das schöne Victoria Memorial mit Museum auf der anderen Seite. Die Hängebrücke über dem Hoghli River glänzt in der Ferne. Gelbe Taxis dominieren den Verkehr und geben der bunten Kulisse bei 40 Grad den passenden Sound. 










Kolkata auf Mutter Theresa zu reduzieren wäre unfair, aber was wirklich stimmt: Kolkata ist dreckig (siehe Beweisfoto FlipFlopFüsse nach 1 Tag Entdeckungstour)!

Wir könnten in einem der angesagten Schickmicki-Restaurants essen. Wir bevorzugen aber die Holzbank auf der Strasse. Die Bazillenparty hat meinen Magen indiensicher gemacht und so kann ich das Essen der Garküchen ohne Probleme geniessen. Mund auf, Kartoffeleintopf mit Fladenbrot rein, Geschmacksexplosion auf der Zunge und die Gewissheit dass ich mit der deutschen Küche nie wieder glücklich werden kann. Ein Mittagessen kostet hier 25 Rs (35 Cent) und schmeckt besser als alles was ich je gegessen habe! 



Ich liebe indisches Essen! Es ist nicht nur überaus lecker und unschlagbar günstig, sondern auch aus religiösen Gründen meist vegetarisch. Restaurants mit Fleischangebot sind als Non-Veg also Nicht-Vegetarisch ausgeschrieben und in der Unterzahl. Alle abgepackten Lebensmittel haben eine Kennzeichnung: grüner Punkt - rein vegetarisch, brauner Punkt - mit tierischen Nebenprodukten z.B Ei,  rot - nicht vegetarisch. Der grüne Punkt findet sich selbst auf der Wasserflasche und hat wenig mit Recycling zu tun.

Mein indisches Lieblingsfrühstück: 
Masala Dosa - knuspriger Pfannkuchen aus Reis- und Linsenbohnenmehl mit herzhafter Kartoffelfüllung und 2 Dips. In der Regel mildes Kokosmus und scharfes Linsencurry.


oder Idly - gedämpfter Reispfannkuchen und Vada - gepresste Linsenbohnen in Donutform frittiert jeweils mit den gleichen Dips.



Gespeist wird in den sogenannten Dabhas. Oft ziemlich schmuddlige Strassenrestaurants oder eben direkt auf der Strasse wie in Kolkata. Natürlich lässt sich auch in einem der teureren AC-Restaurants der Hotels speisen. Aber wer noch nie in einer Dabhas war, verpasst nicht nur gutes Essen sondern war schlichtweg noch nie in Indien. Mit der rechten Hand essen ist hier Pflicht und zum Trinken gibts gezuckerten Schwarztee oder den obligatorischen Chai Masala (Schwartee mit Milch, Gewürzen und Zucker). Zur Abkühlung gibt es Lassi (Joghurtgetränk gezuckert, gesalzen oder mit Früchten) der vor allem von Henrik innig geliebt wird. Es herrscht eine hektische Atmosphäre und die Küche ist der Teil von Indien, den man lieber nicht sehen will!!!

Zum Abendessen empfiehlt sich ein nordindisches Thali. Auf einem Metallteller werden verschiedene scharfe Dhals (Linseneintopf) milde Currys (z.B. mit Kichererbsen) angeordnet. Ein Schälchen Joghurt und süss-bitteres Pickle ist auch immer dabei. Gekrönt wird das ganze natürlich von Reis und indischen Brotsorten (Naan - fluffiges Fladenbrot, Chapati - einfacher Brotfladen oder Papad - knusprige Linsenwaffel). Im Süden bekommt man das Ganze auf einem Bananenblatt serviert. In manchen Lokalen machen kleine Jungs den ganzen Tag nichts anderes, als Bananenblätter auf Tellergrösse zu stutzen...



Wer keine Angst vor Zuckerschock und Karies hat, der hat die Qual der Wahl zwischen vielen bunten Häppchen und wie es die Ironie so will - viele davon mit Blattgold serviert.

Dann gibt es noch Samosas! Mit diesen mit Kartoffelmasala gefüllten Teigtaschen kann man wirklich gar nichts falsch machen und man findet sie in ganz Indien.


Das Essen ist leider nicht das, was man unter gesunder, fettarmer Ernährung versteht und nach 2 Monaten Indien hab ich ein bisschen Angst um meinen Sitzplatz nach Chiang Mai. ("Entschuldigen Sie Frau Stehle, ihr Gepäck ist in Ordnung - aber Sie haben leider Übergewicht...") 

Ich darf natürlich mitfliegen ;-) und bin erleichtert, stolz und wehmütig zugleich. Goodbye Kolkata! Goodbye India! 

Stich für Stich nähe ich die Indienflagge an meinen Rucksack. Irgendetwas sagt mir, das die Hassliebe zwischen mir und Indien noch nicht vorbei ist. Für die nächste Indienpackliste steht jetzt schon fest: Statt kurzer Röcke, lieber mehr Nerven einpacken...